Bericht über die satirische Radlwallfahrt nach Tuntenhausen am 8.7.2006
von Andreas Salomon

GEW auf dem Holzweg

Satirische Radl-Wallfahrt nach Tuntenhausen

Helmut Pritschet, Mathematiklehrer am Gymnasium Elkofen und GEW-Vorstandsmitglied im Kreisverband Rosenheim, nennt sich gerne einen Zwangssatiriker und begründet dies mit seinen Beobachtungen und Erfahrungen in seinem Wohnort Tuntenhausen, die er bereits auf zahlreichen Veranstaltungen einem amüsierten Publikum zum Besten gab. GEW-Kreisvorsitzender Andreas Salomon hatte ihn eingeladen, über seinen Heimatort zu berichten.

Pritschet und Orlowski
Nun hatte er sich für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft diesmal etwas Besonderes ausgedacht, nämlich analog zum kirchlichen Kreuzweg einen Holzweg in 14 Stationen. Auf einer ca. 40 Kilometer langen Radltour von Kolbermoor nach Tuntenhausen und zurück sollten möglichst an Originalschauplätzen satirische Texte in und aus Tuntenhausen zur Aufführung gebracht werden. Zusammen mit Wolfgang Orlowski, der am Gymnasium Neubeuern unterrichtet und ebenfalls Vorstandsmitglied bei der GEW ist, waren die Texte einstudiert worden.

Die große Radlergruppe erlebte ein Ereignis der ganz besonderen Art. Über Karo, Jarezöd, Hilperting und Brettschleifen ging es zum Zielort Tuntenhausen und ob es ein Wirtshaus oder eine Kirche war, ein Rathaus oder eine Schule, an den unterschiedlichsten Orten wurde angehalten und über bayerisches Brauchtum im Allgemeinen und die Lebens- und Denkweise der Tuntenhausener im Besonderen nachgedacht.

4. Station am Wegkreuz
Pritschet versteht es genau hinzuschauen und gut zuzuhören und die Eigenheiten seiner Mitbewohner teils leicht amüsiert, teils bitter ironisch zu karikieren. Allein der Ortsname Tuntenhausen ist ihm schon Programm. Pritschet am Grenzübergang: "Wie heißt der Ort? Tuntenhausen?" Grinsende Gesichter der Zollbeamten. Oder bei der Telephonauskunft. "Heißt der Ort wirklich so?" Pritschet macht deutlich, dass Tuntenhausen ein Ort der besonderen Art ist. Geprägt von der Vorherrschaft der CSU, der Wallfahrtskirche und dem Männerverein wird es für Andersdenkende eng in diesem Dorf.

Da ist z.B. die große Bedeutung des Trachtenvereins und der enorme Ernst, mit dem hier Traditionen gepflegt werden. Natürlich lässt es Pritschet sich nicht nehmen, darauf zu verweisen, dass es innerhalb des bayerischen Trachtenverbands auch die Schwu-Plattler gibt, die aber leider in Tuntenhausen bisher noch nicht Fuß fassen konnten. Und auch die Gebirgsschützen werden angesprochen, die das "Non-Plus-Ultra eines Trachtenvereins stellen" und gerne auftreten, wenn in Bayern "ein afrikanischer Despot" zu Gast ist. "Beide sind schwarz, die einen außen, die anderen von innen."

Orlowski als Pfarrer Lehner
Und dann ist da der Männerverein, in dem seit jeher bayerische Politik gemacht wird. "Man stemmte sich mit aller Gewalt gegen die Abschaffung der Bekenntnisschulen, man schwor immer wieder auf die Sittenlehre der katholischen Kirche, wetterte gegen die Antibabypille (...) und predigte gegen die Novellierung von Ehescheidungs- und Abtreibungsrechts." Die Vorsitzenden warnten vor "feiger Anpassung an den Zeitgeist" oder kämpften für "den einteiligen Badeanzug" .

Pritschet und Orlowski lesen ihre Texte nicht einfach ab, sondern schlüpfen jeweils in die Rollen der Betroffenen und führen ihre Gedanken und Vorstellungen zur großen Freude der Anwesenden in passenden Gewändern mit dazugehöriger Stimmlage und entsprechender Gestik auf. Da wird ein Feuerwerk von Pointen abgebrannt, da wechseln blanke Ironie und nüchterne Kritik, dass die Atmosphäre manchmal geradezu beklemmend wird, aber immer wieder durch übersprühenden Witz sich belebt und in große Heiterkeit aufgelöst wird.

Natürlich werden die Wallfahrer nicht ausgespart, die mit Bussen nach Ostermünchen gebracht werden. "Die Strecke von 2 Kilometern nach Tuntenhausen reicht dann gerade für einen Rosenkranz." Und um sich die Strecke richtig einzuteilen: "Erfahrende Wallfahrer orientieren sich bei den Gebeten an den für die Autofahrer angebrachten Katzenaugen." Ob es wirklich stimmt, dass die Tuntenhausener Gastronomie mehr Zuspruch erfährt als die Wallfahrtskirche, sei dahingestellt. Dass auch der Devotionalienhandel nicht unerwähnt bleiben darf, ist aber schon fast selbstverständlich: "der Papst im Muschelrahmen oder die Mutter Gottes --Patrona Bavariae - in einer Käseglocke, in der es schneit, wenn man sie umdreht."

Pritschet als Broadmoa Gust
Pritschet und Orlowski spötteln und witzeln über alles, auf das in Tuntenhausen ihr kritisches Auge fällt. Und am Schluss der 6-stündigen Tour gab es dafür reichen Beifall. Und man glaubt Pritschet, wenn er seine Ausführungen mit den Versen schloss:

"Wo konn I mi zu Hause fühlen?
Wo kumm I her? Wo gher I hin?
I sitz ständig zwischn den Stühln
Mitten im Fetthaferl drin."

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